Alte Leute

Ich sitze im Zug von Frankfurt in Richtung Odenwald. Mein Stammplatz, die hintere Vierergruppe im vorderen Zug, ist bereits besetzt. Sechs Personen, eine Hand voll Nordic-Walking-Stöcke und jede Menge Gepäck haben beide großen Sitzgelegenheiten besetzt.

Die Herrschaften kommen gerade aus dem Urlaub zurück das erkenne ich daran, dass die zusammengehörige Gruppe später getrennt aussteigt. Aber zurück zum Thema:

Ich nehme ein paar Reihen weiter vorne Platz. Der Zug hat Verspätung* und so wird die Unpünktlichkeit und Unzuverlässigkeit zum ersten lautstarken Gesprächsthema der Runde. Natürlich sind die neuen Züge unbequem und viel zu stark klimatisiert. Als es noch die Deutsche Bundesbahn war, war alles besser.

Wenn wir schon beim Thema Verkehrsmittel sind ist natürlich auch das Auto nicht weit weg. Diese nette Überleitung, die den Fahrstil der mit normaler Reaktionszeit gesegneten Bevölkerung schlimmen jungen Erwachsenen nutzt bringt das Gespräch unweigerlich auf genau diese Gruppe.

400 Jahre Lebenserfahrung sitzen da und sind einer Meinung. Die Jugend von heute ist schlecht, gewalttätig und zu nichts zu gebrauchen. An dieser Stelle kommt es wie es kommen musste: Ein ca. 30 Jahre alter Mann geht zwischen den heftig Diskutierenden** durch und streift mit seinem Rucksack den Arm der Haupt-Rednerin.

Der entrüstete Aufschrei ihrerseits erntet im Zug – von der verrohten Jugend – höchstens Kopfschütteln. Die Dame sieht sich selbstverständlich bestätigt in ihrer Aussage. Kurze Verschnaufpause und weiter geht’s über Pisa in Richtung Politik.

Das volle Klischee-Programm wird abgefahren. Die Renten sind zu niedrig, die 10 Euro Regelung beim Arzt wird gestreift und die Mehrwertsteuer-Erhöhung ist natürlich auch Thema. Man kann denke ich eigentlich nicht vom Existenzminimum reden, wenn man noch nett in Urlaub verreisen kann.

Abschließend debattiert** man über den Euro, und wie gut die Mark doch war. Dass man sich das Autofahren nicht mehr leisten kann und abermals über die Jugend.

In etwas über einer Stunde Zugfahrt konnte ich keine einzige Positive Aussage aus meiner Sitzgruppe vernehmen. Eine Stunde Klagen, Leiden und Schimpfen. Man hätte genauso gut über die vergangene Reise, die eigenen Enkel (irgendwer von denen wird schon welche gehabt haben) oder die Vorzüge von Kukident Minze*** reden können.

Wenn ich eines Tages alt bin und eine so negative Grundeinstellung an den Tag lege, soll mich doch bitte jemand von meinen Leiden erlösen.

*) Die erste und bisher einzige Verspätung, seit ich täglich nach Frankfurt fahre!
**) In Diesem Falle: Zwei Parteien sind sich über ein Thema völlig einig und stoßen lautstark ins selbe Horn.
***) frei erfunden

2 Gedanken zu „Alte Leute“

  1. Keine Angst Claudius! Ich verspreche dir, das werde ich tun…wenn ich bin dahin nicht selbst erlöst wurde.

    Dummerweise glaube ich nicht, dass es viel anders wird. Wie mein Opa gerne zu der Euro Diskussion zu sagen pflegt „Heud werd über de Euro g’schennt, vor 60 Jahre über die DeMarg…un‘ als die Reichsmarg eink’führd wurdd beschtimmd ah!!“

    Unser einer wird sich dann vielleicht über die guten alten Windows98 Rechner oder das gesegnete Napster unterhalten. Ich denke mal, dass ist der Lauf der Dinge und ich sehe es bei unserer Generation nicht viel anders kommen. Ich hoffe einfach nur, dass ich wir mit 70 Jahren im Zug sitzen und auch mal nen 16-jährigen fragen was denn nun der beste Musikplayer sei, um somit einen offenen Geist zu bewahren…denn ich finde, wenn man den hat kann man auch so viel „bitchen“ wie man will.

    Molch!

  2. Unsere Generation als solches wird sicher noch in 20 Jahren sagen: „Boah ist das teuer 20 Euro… das sind ja fast 40 Mark“.

    Das seh ich schon seit Jahren kommen.

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